Keine Angabe Wert des Gutes

Inhalt

    In einem Feststellungsverfahren vor dem Landesgericht Innsbruck hat das Gericht die Haftung eines Tiroler Frachtführers verneint, da der Absender den besonders hohen Wert des Frachtgutes nicht angegeben hat.

    Der Hergang der Tat liest sich freilich wie ein Krimi: Ein Tiroler Frachtführer wurde von einem Spediteur dazu beauftragt, mit einem Planen-Lkw einen Transport von 26 Paletten Frachtgut mit einem Gewicht von 7.500 kg von Norwegen nach Schweden zu transportieren. Die Vertragsparteien standen schon seit mehreren Jahren in einer ständigen Geschäftsbeziehung. Der Auftraggeber des Tiroler Frachtführers hat den Auftrag ebenfalls von einer anderen Spedition erhalten. Weder der Auftraggeber, noch der Tiroler Frachtführer wussten, was sich unter der schwarzfolierten Fracht befand. Weder im Transportauftrag, noch
    im Frachtbrief wurde darauf hingewiesen, dass es sich um besonders wertvolle Frachtgüter (Computer) handelte. Auch objektiv war nicht zu erkennen, was sich hinter der schwarzen Folie verbirgt.

    ABSTELLORT GENAU INSPIZIERT

    Der Auftraggeber bestellte ausdrücklich einen Planen-Lkw. Der eingesetzte Lkw-Fahrer, der schon seit 45 Jahren Praxis im internationalen Fernverkehr hatte, kam am gleichen Tag um ca. 20:45 Uhr beim Betriebsgelände des Empfängers an. Dort brannte zwar noch Licht, eine Entladung des Lkw wurde aber nicht mehr vorgenommen. Der Lkw-Fahrer hat daher das Firmengelände genau inspiziert. Am Firmengelände selbst waren Videokameras angebracht und die Straße war gut ausgeleuchtet. Der Fahrer stellte den Sattelzug in Sichtweite des Firmengeländes des Empfängers und in Sichtweite der am Firmengebäude angebrachten Kameras. Das Heck des Fahrzeuges war in Richtung der Kameras gerichtet. Der Zeuge ging in die Fahrerkabine und entfernte sich nicht mehr.

    Gegen 2:30 Uhr wurde der Fahrer von Geräuschen geweckt und nahm er in der Fahrerkabine Bewegungen wahr. Daraufhin entschloss sich der Fahrer auszusteigen und einen Kontrollgang um das Fahrzeug zu machen. Als er aus der Fahrerkabine ausstieg, bemerkte er im hinteren Bereich des Fahrzeuges mehrere Männer, die damit beschäftigt waren, die Ladung aus dem aufgeschlitzten Planen-Lkw zu räumen. Als die Täter den Lkw-Fahrer sahen, sprangen sie ins Fluchtfahrzeug und fuhren auf den Fahrer los – der Fahrer sprang geistesgegenwärtig unter den Sattelauflieger, andernfalls wäre er von den Tätern überfahren worden. Der Lkw-Fahrer rief die Polizei, die unmittelbar danach sofort eintraf. Es wurde festgestellt, dass mehrere Paletten mit einem Gesamtwert von mehr als 200.000,– Euro gestohlen wurden. Der Tiroler Frachtführer wurde von seinem Auftraggeber haftbar gehalten und aufgefordert den Schaden in Höhe von mehr als 200.000,– Euro zu bezahlen.

    NEGATIVE FESTSTELLUNGSKLAGE

    Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage durch unsere Kanzlei haben wir im Auftrag des Tiroler Frachtführers eine sogenannte negative Feststellungsklage beim Landesgericht Innsbruck eingebracht. Wir haben den Antrag gestellt, das Gericht möge feststellen, dass der Frachtführer für den Teilverlust der transportierten Ware gegenüber dem Auftraggeber nicht hattet. Die Zuständigkeit des Gerichts konnten wir durch eine Gerichtsstandvereinbarung, insbesondere aufgrund der ständigen Geschäftsbeziehung zwischen den Vertragsparteien nachweisen.

    Im Zuge eines ausführlichen Beweisverfahrens stellte sich tatsächlich heraus, dass der Tiroler Frachtführer über den besonders hohen Warenwert nicht informiert wurde. Wäre der Frachtführer darüber informiert worden, hätte er den Transport mit einem verstellbaren Koffer-Lkw und einer Zwei-Fahrerbesetzung angeboten. Weiters hätte es die Möglichkeit gegeben, gegen Aufpreis einen Sicherheitsparkplatz bei einer Niederlassung des Frachtführers in Anspruch zu nehmen. Da die Art des Ladegutes und der Wert nicht bekannt gegeben wurden und aufgrund der schon seit Jahren
    bestehenden Geschäftsbeziehung immer nur niedrigpreisige Waren, insbesondere auch Holzabfälle, Plastik und Ähnliches transportiert wurde, bestand auch kein erkennbarer Grund einen Hochsicherheitsparkplatz zu benutzen. Im Übrigen hat der Frachtführer und der zum Einsatz gekommene Fahrer alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, die auch ein sorgfältiger Fahrer angewendet hätte.

    HAFTUNGSAUSSCHLUSS

    Das Gericht ist daher in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis gekommen, dass auf den gegenständlichen Transport die Bestimmungen der CMR anzuwenden sind. Die Haftung des Frachtführers ist gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR ausgeschlossen, wenn der Schaden auf ein unabwendbares Ereignis zurückzuführen ist. Ein solches unabwendbares Ereignis liegt vor, wenn der Frachtführer auch durch die Anwendung äußerster, nach den Umständen des Falles möglicher und vernünftigerweise zumutbarer Sorgfalt den Schadenseintritt nicht verhindern konnte. Ein derartig außergewöhnliches Ereignis muss immer der Frachtführer beweisen. Nach Ansicht des Gerichts ist dieser Beweis gelungen, da der Tiroler Frachtführer, insbesondere sein Fahrer, jede nur denkbare Sorgfalt zum Schutz des Gutes angewendet hat. Der Fahrer ist insbesondere beim Abstellen des Lkw besonders umsichtig und vorausschauend vorgegangen. Dass der Fahrer die Diebe nicht mehr aufhalten konnte, ist ihm nicht vorzuwerfen. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist – die Berufungsfrist ist noch offen.


    Erschienen im Stragü 06/2015

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