Was ist dem Fahrer zumutbar?

Inhalt

    Laut KFG muss ein Lenker seinen Lkw vor Fahrtantritt „kontrollieren“. Wie genau dies sein muss und was alles als zumutbar angesehen wird, haben wir für Sie zusammengefasst.

    Gemäß § 102 Abs. 1 KFG darf ein Kraftfahrzeug erst im Betrieb genommen werden, wenn der Lenker sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug samt Anhänger den Vorschriften des KFG entspricht. Dabei gelten unterschiedliche Maßstäbe für Lenker und Zulassungsbesitzer.

    Regelmäßiger Werkstatt-Besuch

    Die Haftung für technische Mängel ist gemäß § 103 KFG für Zulassungsbesitzer strenger geregelt als für Lenker. Der Lenker muss sich eben nur, soweit dies zumutbar ist, vor Fahrtantritt vom gesetzesmäßigen Zustand des Fahrzeugs vergewissern. Für den Zulassungsbesitzer gibt es keine derartige Zumutbarkeitsgrenze und trägt dieser somit eine wesentlich höhere Verantwortung.

    Ein Zulassungsbesitzer kann sich nicht darauf berufen, dass allfällige Mängel lediglich äußerlich nicht erkennbar waren. Die Verantwortlichkeit des Zulassungsbesitzers findet jedoch dort seine Grenze wo ein Mangel tatsächlich nur noch von einem Sachverständigen erkennbar ist. Von einem Zulassungsbesitzer wird jedoch verlangt, dass dieser sämtlichen Beanstandungen seiner Fahrer ordentlich nachgeht und versucht, den – wenn auch äußerlich nicht erkennbaren – Mangel, zu eruieren und zu beheben. Auch regelmäßige Kontrollen in einer Werkstatt werden vorausgesetzt.

    Sicht- und Betätigungskontrolle

    Der Lenker hingegen muss vor Fahrtantritt lediglich eine Sicht- und Betätigungskontrolle durchführen. Die Bestimmung des § 102 KFG stellt somit auf Mängel „vor Fahrtantritt“ ab. Auffälligkeiten im Fahrverhalten, sowie Dinge die während der Fahrt „hörbar oder spürbar“ sind, fallen somit nicht unter „vor Fahrtantritt erkennbare Mängel“ (Grubmann KFG4, § 102 Rz 5).

    Häufig wird einem Lenker vorgeworfen, dass ein Mangel in Form eines Luftdruckverlusts vorlag und der Lenker beispielsweise während des Fahrens ein „Zischen“ aufgrund der entweichenden Luft hören musste. Ein solcher, erst während der Fahrt auffallender Mangel, stellt somit keinen Fall der Strafbarkeit wegen unterlassener Kontrolle vor Fahrtantritt gemäß § 102 KFG dar.

    Überprüfung der Leuchten

    Die Zumutbarkeitsgrenze für den Lenker ist jedenfalls dann überschritten, wenn Mängel vorgeworfen werden, die der Lenker nur erkennen hätte können, wenn dieser sich unter das Fahrzeug begibt (wie etwa Roststellen an verdeckten Teilen oder ein übermäßiges Spiel an Gelenken, die schwer äußerlich eingesehen werden können) oder für die Feststellung ein spezielles Werkzeug benötigt.

    Immer zumutbar ist dem Lenker hingegen die Kontrolle der ausreichenden Sicht vom Lenkerplatz aus, sowie die Überprüfung sämtlicher Leuchten. Nach der ständigen Rechtsprechung gehört es zwingend zu einer Rundumkontrolle, dass der Fahrer sich von der Funktionsfähigkeit aller Lichter und Leuchten überzeugt. In der Praxis ist es jedoch insbesondere bei Bautransporten häufig, dass einzelne Leuchten insbesondere beim Befahren von Baustellen aufgrund der unebenen Fahrbahn locker werden oder ausfallen. Dies stellt den klassischen Fall eines Mangels nach Fahrtantritt dar und ist dem Lenker nicht mehr anzulasten, da der Lenker schließlich nur das kontrollieren muss, was vor Fahrtantritt vorgelegen hat.

    Flüssigkeitsaustritt

    In diesem Zusammenhang ist auch ein allfälliger Flüssigkeitsaustritt, der vor Fahrtantritt zu einer erkennbar großen Lackenbildung führt, für den Lenker erkennbar. Kommt es jedoch erst während der Fahrt zu der Undichtheit, ist dies kein Mangel, der dem Lenker anzulasten ist.

    Risse an Reifen

    Auch Reifen sind ein häufiges Thema von Verwaltungsstrafsachen. Eine unzureichende Profiltiefe sowie äußerliche Beschädigungen und Risse der Reifen sind für den Lenker jedenfalls vor Fahrtantritt erkennbar. Unklar ist aber, ob der Fahrer einen Reifen zunächst äußerlich kontrollieren muss und dann sein Fahrzeug bewegen muss, um den Reifen zumindest um die Hälfte des Umfangs zu drehen, damit er nochmals jene Stellen untersuchen kann, auf denen das Fahrzeug zuvor gestanden ist.

    So kommt es vor, dass sich im Reifen beispielsweise ein Nagel befunden hat, der für den Fahrer vor Antritt der Fahrt nicht erkennbar war, weil der Reifen genau mit der Stelle auf der Fahrbahn auflag, in der sich der Nagel befand.

    Blick auf die Ladung

    Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Ladungssicherung ist ebenfalls ein Thema des Lenkers. Die Zumutbarkeit der Überprüfung findet jedoch dort ihre Grenzen, wo ein bereits vorgeladener und verplombter WAB übernommen wird. In diesem Fall kann der Fahrer schließlich nicht in das Innere des Fahrzeuges einsehen, um die Ladungssicherung zu überprüfen.

    Beim Ladungsgewicht darf sich der Frachtführer nicht auf die Angaben des Verladers verlassen. Insbesondere bei Rundholztransporten macht sich der Fahrer bei Überladung auch dann strafbar, wenn er das tatsächliche Gewicht nicht überprüfen kann und die Einschätzung aufgrund variierender Beschaffenheiten des Rundholzes nicht einschätzbar ist. Stehen dem Lenker somit keine technischen Einrichtungen zur Überprüfung des Gewichts zur Verfügung, darf er im Zweifel nur eine solche Menge an Holz laden, bei der auch unter Annahme des höchstmöglichen Gewichts pro Festmeter, das zulässige Gesamtgewicht jedenfalls nicht überschritten wird. Auf die Angabe im Frachtbrief über das Gewicht bzw. Angaben des Verladers darf der Fahrer jedenfalls nicht vertrauen.

    Probebremsung?

    Obwohl die Bremswirkung von Betriebsbremsen meistens erst während der Fahrt und sohin nicht bei der Betriebskontrolle festgestellt werden kann, besteht hierzu die Ausnahme, dass dem Lenker vor Fahrtantritt zuzumuten ist, dass dieser unmittelbar nach Inbetriebnahme eine Probebremsung durchführt. Hinsichtlich der Funktionsfähigkeit von Anhängerbremsen ist dem Fahrer die Möglichkeit einer Funktionsprobe durch Lösung des Bremsschlauches zumutbar (OGH 2 Ob 143/75).

    Es ist wichtig auch hervorzuheben, dass die Pflicht des Lenkers zur Kontrolle des Fahrzeugs nicht lediglich zu Beginn des Arbeitstags besteht, sondern vor Antritt jeder neuerlichen Fahrt. Führt der Lenker somit am Tag mehrere Transporte mit mehreren Stopps durch, muss sich dieser etwa nach Befahren einer Baustelle nochmals von der Ordnungsmäßigkeit seines Fahrzeugs überzeugen.

    Motorkontrollleuchte

    Oft sehen wir, dass dem Fahrer Umstände angelastet werden, die an sich noch keinen Mangel darstellen, sondern lediglich auf einen Mangel hindeuten bzw. in Zukunft zur Entstehung eines Mangels führen könnten. Ein häufiges Beispiel ist der Vorwurf einer aufscheinenden Motorkontrollleuchte. Hierzu ist festzuhalten, dass lediglich das Aufleuchten der Motorkontrollleuchte an sich noch keinen Mangel darstellt und dieser Vorwurf somit unzulässig ist. Vielmehr haben die kontrollierenden Beamten den tatsächlichen Mangel, der durch die aufscheinende Kontrollleuchte lediglich signalisiert wird, festzustellen.

    Roststellen

    Auch Fahrzeugteile, die inzwischen locker geworden sind oder anfangen zu rosten, sind per se noch nicht als Mangel zu bewerten. Roststellen oder eine verlorene Schraube führen möglicherweise in Zukunft zu einem Mangel, wenn eine Gefährdung der Verkehrssicherheit eintritt. Ein Staubfänger, bei dem eine Schraube locker geworden ist, darf somit nicht bereits als Mangel vorgeworfen werden, weil dieser unter Umständen durch die Lockerung weiterer Schrauben abfallen könnte.

    Auch die Bildung geringer Roststellen führt nicht zwingend zur Funktionsunfähigkeit des maßgeblichen Teils, sondern liegt der Mangel erst dann vor, wenn die Baufestigkeit durch starke Korrodierung tatsächlich beeinträchtigt ist.


    Erschienen im Transporteur 07/2024

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