Transporteur 02/21, Dr. Schärmer – Fahrer im Krankenhaus – wer bewacht den LKW?

Transporteur 02/21, Dr. Schärmer – Fahrer im Krankenhaus – wer bewacht den LKW?

Ausgangslage
Die Versenderin beauftragte ein Transportunternehmen mit der Durchführung eines Transports von GB-Milton Keyes nach DE-Ibbenbüren. Nach mehrfacher Weitergabe des Transportauftrages wurde schließlich der ausführende Frachtführer mit der Durchführung des Transports beauftragt. Bei der Ware handelte es sich um eine Komplettladung diverser Damentextilien und Damenschuhe. Bei einer unplanmäßigen Unterbrechung der Fahrt gegen 16:30 Uhr, bei der der Fahrer den Lkw bis zum Folgetag unbeaufsichtigt abstellte, wurde das Transportgut aus dem Lkw entwendet. Grund für das unbeaufsichtigte Abstellen des Lkws war, dass der Fahrer plötzlich erkrankte und mit einem Notarzt in ein nahegelegenes Krankenhaus eingeliefert werden musste.

Haftung für Verlust
Der Diebstahl des Gutes ist als Verlust im Sinne der CMR zu qualifizieren. Gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer für Verluste oder Beschädigungen des Gutes die zwischen der Übernahme und der Ablieferung eintreten. Der Frachtführer ist daher für den Verlust der Ware verantwortlich, solange er das Gut in seiner Obhut hat (OGH 6 Ob 257/07y). Da der Verlust des Gutes im gegenständlichen Fall während des Obhutszeitraums des Frachtführers eingetreten ist, haftet dieser grundsätzlich für den Verlust.

Haftungsbefreiung – unabwendbares Ereignis
Gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR ist der Frachtführer jedoch von der Haftung befreit, wenn der Verlust unter anderem durch besondere Umstände verursacht worden ist, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte. Dieser Haftungsbefreiungsgrund wird als unabwendbares Ereignis bezeichnet. Der Frachtführer ist von seiner Haftung befreit, wenn er im konkreten Fall auch durch äußerste, ihm mögliche und nach den Umständen des Falles vernünftigerweise zumutbare Sorgfalt den Schadenseintritt nicht vermeiden und dessen Folgen nicht beherrschen konnte.
Bei dem Haftungsbefreiungsgrund gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR ist der Frachtführer aber darlegungs- und beweisbelastet. Dies bedeutet, dass es dem Frachtführer obliegt, nachzuweisen, dass die Folgen der unvermeidbaren schadensstiftenden Umstände nicht abgewendet werden konnten.

Kein unabwendbares Ereignis im konkreten Fall
Ein Diebstahl aus einem über Nacht unbewacht in einem Gewerbegebiet abgestellten Planen-Lkw ist nicht unvermeidbar. Auch der Umstand, dass der Fahrer plötzlich schwer erkrankte befreit den Frachtführer im gegenständlichen Fall nicht von seiner Haftung. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das zwischen dem krankheitsbedingten Anhalten des Fahrzeugs um 16:30 Uhr und dem Notarzteinsatz gegen 22:00 Uhr, 5 und halb Stunden liegen. Der Fahrer kontaktierte in dieser Zeit zwar seinen Arbeitgeber (den Frachtführer), jedoch klärte dieser Frachtführer in weiterer Folge nicht seinen Auftraggeber über die Situation auf. Zwischen dem krankheitsbedingten Abstellen des Lkw und der Fahrt zum Krankenhaus bestand genug Zeit und Gelegenheit, um die Information über das unbeabsichtigte Abstellen des Lkws in der Auftragskette nach oben zu kommunizieren. Spätestens als klar war, dass der Notarzt den Fahrer mit ins Krankenhaus nehmen würde, mussten durch den Fahrer und seinen Arbeitgeber, durch Information an alle Beteiligten, Maßnahmen zum Schutz des Lkws ergriffen werden. Eine Mitteilung innerhalb der Auftragskette, dass der Fahrer das Fahrzeug unbeaufsichtigt würde zurücklassen, kann bei zumutbarer Sorgfalt verlangt werden. Bei entsprechender Information hätte der Auftraggeber entsprechende Maßnahmen ergreifen können, um den Diebstahl der Ladung zu verhindern.

Grobes Verschulden des Frachtführers
Grundsätzlich ist die Haftung des Frachtführers gemäß Art. 23 Abs. 3 CMR wertmäßig beschränkt. Auf diese Beschränkung kann sich der Frachtführer jedoch dann nicht berufen, wenn diesem qualifiziertes Verschulden anzulasten ist. Unter qualifiziertem Verschulden ist in Österreich grobe Fahrlässigkeit anzusehen. Grobe Fahrlässigkeit bedeutet ein objektiv und auch subjektiv schwerer Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.

Im gegenständlichen Fall ist dem Frachtführer ein solches qualifiziertes Verschulden anzulasten, da ein Lkw mit diebstahlsgefährdeter Ware ungesichert in einem unbewachten Gewerbegebiet über Nacht abgestellt wurde. Aus der Warenbeschreibung – Textilien und Schuhe – war ableitbar, dass es sich um leicht verwertbare, wertvolle und somit diebstahlsgefährdete Ware handelte.

Das qualifizierte Verschulden liegt im gegenständlichen Fall gerade deswegen vor, da im Zeitraum (5 und halb Stunden) zwischen dem notfallbedingten Abstellen des Lkw und dem Verlassen des Lkw liegen, in denen entsprechende Informationen innerhalb der Auftragskette weitergegeben werden hätten können. Da der Lkw lediglich 4 km von der Ladestelle entfernt abgestellt wurde, hätte ohne weiteres der Auftraggeber, bei entsprechender Information, Maßnahmen treffen können, um einen Diebstahl zu vermeiden. So hätte zum Beispiel ein Ersatzfahrer zum nicht weit entfernten Lkw gebracht werden können, der diesen wieder zurück zur Ladestelle bringt oder den Transport fortsetzt. Jedenfalls hätte ein unbeaufsichtigtes Abstellen in einem unbewachten Gewerbegebiet über Nacht, bei entsprechender Information verhindert werden können.

Immer Informieren!
Der gegenständliche Fall zeigt, dass eine Haftung des Frachtführers deshalb vorliegt, weil er keine Informationen an seinen Auftraggeber weitergegeben hat, obwohl ihm dies zumutbar war. Grundsätzlich ist eine unvorhersehbare und plötzlich eintretende Erkrankung des Fahrers ein unabwendbares Ereignis, für das der Frachtführer nichts kann. Der Schaden wurde im gegenständlichen Fall jedoch nur deswegen nicht als unabwendbares Ereignis gewertet, da es naheliegend ist, dass ein Fahrzeug, mit einem diebstahlsgefährdeten Gut, nicht eine ganze Nacht unbeaufsichtigt gelassen werden kann. Der Frachtführer hätte somit seinen Auftraggeber über die plötzlichen Umstände zumindest informieren müssen, damit dieser entsprechende Sicherheitsmaßnahmen treffen kann.

 

Zusammenfassung, Praxistipps:

- Gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer für Verluste oder Beschädigungen des Gutes die zwischen der Übernahme und der Ablieferung eintreten.

- Gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR ist der Frachtführer jedoch von der Haftung befreit, wenn der Verlust unter anderem durch besondere Umstände verursacht worden ist, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte.

- Ein Diebstahl aus einem über Nacht unbewacht in einem Gewerbegebiet abgestellten Planen-Lkw ist nicht unvermeidbar.

- Da der Frachtführer die Gelegenheit hatte, seinen Auftraggeber zu informieren, damit dieser entsprechende Sicherheitsmaßnahmen einleitet und dieser Informationspflicht nicht nachkam, kann sich dieser auch nicht auf ein unabwendbares Ereignis berufen.

- Da ein Diebstahl der Ware in der gegenständlichen Konstellation auch vorhersehbar und sogar zu erwarten war, ist dem Frachtführer qualifiziertes Verschulden anzulasten, womit dieser unbeschränkt für den Schaden haftet.

- Bei plötzlichen Ereignissen und Hindernissen im Zuge des Transports, ist der Auftraggeber immer unverzüglich zu informieren, damit dieser die Möglichkeit hat, entsprechende Sorgfaltsmaßnahmen zu treffen.

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