Transporteur 10/21 – Dr. Schärmer – Haftungsfalle – Transporteur als Auftraggeber

Rollentausch

Absender im Sinne der CMR ist immer der Vertragspartner des Frachtführers (somit der Auftraggeber des Frachtführers). Dieser Umstand wird in der Praxis oft verkannt. In rechtlicher Hinsicht ist der Absender nämlich nicht das Unternehmen, bei dem die Ware abgeholt wird, sondern stets derjenige, der den Frachtführer beauftragt.

In der Praxis kommt es häufig vor, dass ein Transport mehrmals „weitergegeben“ wird und somit eine Transportkette entsteht. Gerade bei solchen Transportketten treten manche Parteien sowohl als Frachtführer, als auch als Absender auf. Erteilt beispielsweise das Produktionsunternehmen „P“ einen Transportauftrag an den Transportunternehmer „T“ und beauftragt dieser wiederum den Subfrachtführer „S“ mit der tatsächlichen Durchführung des Transports, so befindet sich der Transportunternehmer „T“ in einer vielschichtigen Position. Gegenüber seinem Auftraggeber „P“ nimmt er die Rolle des Frachtführers ein. Im Verhältnis zum Subfrachtführer „S“ ist der Transportunternehmer jedoch als Auftraggeber anzusehen und treffen diesen somit alle Pflichten eines Absenders. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Transportunternehmer „T“ als Auftraggeber und Vertragspartner des „S“ tätig wird.

Transportunternehmen die sich in dieser Position befinden, erhalten in der Praxis alle Informationen und Unterlagen zum gegenständlichen Transport von ihrem Auftraggeber und geben diese inhaltsgleich an den von ihnen beauftragten Subfrachtführer weiter. Hinter diesem Vorgang verbirgt sich jedoch ein enormes Haftungspotenzial, mit unbegrenzten Schadensersatzforderungen.

Informationen und Urkunden

Art. 7 CMR regelt die Folgen unvollständiger oder unrichtiger Angaben im Frachtbrief. Demnach haftet der Absender dem Frachtführer gegenüber insbesondere für die unrichtigen oder unvollständigen Angaben von Absender und Empfänger, Tag und Ort der Übernahme des Gutes, Bezeichnung, Anzahl und Gewicht des Gutes etc., sofern hieraus ein Schaden entsteht.

Art. 11 CMR normiert, dass der Absender dem Frachtführer sämtliche Urkunden beizugeben hat, die für die Zoll- oder sonstige amtliche Behandlung notwendig sind und der Absender darüber hinaus auch alle erforderlichen Auskünfte hierzu erteilen muss.

Hinzu kommt die Verschärfung, dass die Haftung des Absenders verschuldensunabhängig ist. Den Frachtführer trifft im Übrigen keine Pflicht die Eingaben des Absenders im Frachtbrief oder die beigegebenen Urkunden zu überprüfen. Nur bei ganz offenkundig falschen Angaben bzw. Urkunden könnte ein Mitverschulden des Frachtführers in Betracht kommen.

Die Haftung des Absenders ist darüber hinaus betraglich unbegrenzt, sodass wegen unrichtigen und unvollständigen Eintragungen im Frachtbrief und unrichtigen bzw. unvollständigen Urkunden sämtliche Güter- und Vermögensschäden, einschließlich entgangenen Gewinns an den Frachtführer zu bezahlen sind. Wenn der Transportunternehmer Subunternehmer beauftragt ist dieses Haftungsrisiko zu beachten. Der Transportunternehmer als Auftraggeber muss gewährleisten, dass der Subunternehmer sämtliche Informationen erhält, auch wenn der Transportunternehmer selbst von seinem Auftraggeber diese Informationen nicht bekommen hat. In diesem Fall muss der Transportunternehmer die erforderlichen Unterlagen beschaffen, damit es bei der Ausführung des Transportes durch den Subunternehmer zu keinen Problemen kommt.

Aktuell: BREXIT – Gefahr bei UK-Transporten

Seit 31. Dezember 2020 gelten für Großbritannien-Transporte neue Rahmenbedingungen. Bei der Einfuhr von Waren aus dem EU-Raum in das Vereinigte Königreich müssen unter anderem folgende Dokumente mitgeführt werden:

  • CMR Frachtbrief
  • Handelsrechnung mit Warentarifnummer und EORI Nummer
  • ADB (Ausfuhrbegleitdokument = Nachweis der zuständigen Zollstelle über die Zulässigkeit der Ausfuhr)
  • MRN (Movement Reference Number = Zoll-Registrierungsnummer, die es der Zollbehörde ermöglicht, ihre Exportwaren im elektronischen Zoll System zu identifizieren und zu bearbeiten)
  • GMR (Goods Movement Reference = Nachweis, dass alle erforderlichen Einfuhrerklärungen vorab eingereicht wurden). Dieser muss online selbst generiert werden

Wie bereits erwähnt, muss der Absender gemäß Art. 11 CMR dem Frachtführer sämtliche Urkunden beigeben und erforderlichen Auskünfte erteilen, die für die Zoll- und sonstige amtliche Behandlung notwendig sind. Befindet man sich daher in der Rolle eines Transportunternehmers, der einen Auftrag von seinem Kunden erhält und an einen Subfrachtführer weitergibt, so ist dafür zu sorgen, dass sämtliche oben aufgelisteten Dokumente und Informationen eingeholt und dem Subfrachtführer zur Verfügung gestellt werden.

Aus diesem Grund ist bei Transportunternehmen in einer solchen „Zwischenposition“, enorme Achtsamkeit gefragt. Selbst wenn diese von ihrem eigenen Auftraggeber unrichtige bzw. unvollständige Informationen und Unterlagen erhalten, haften diese im Verhältnis zu ihrem Subfrachtführer unbegrenzt für alle entstehenden Schäden. Aus diesem Grund sollten die, vom Kunden beigegebenen Unterlagen und Informationen gründlichst auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden, um spätere Ansprüche des Subfrachtführers zu vermeiden.

Fatale Folgen – Fahrzeugbeschlagnahme!

Die oben beschriebene Haftung ist nicht nur für Transporte ins Vereinigte Königreich, sondern für alle grenzüberschreitenden sowie nationalen Transporte relevant. Im schlimmsten Fall können Unachtsamkeiten und Fehler zu fatalen Folgen wie der monatelangen Beschlagnahme von Fahrzeugen und erheblichen Schadensersatzforderungen führen.

In einem brandaktuellen Fall wurde das Fahrzeug eines Mandanten von italienischen Behörden beschlagnahmt, da diese vermuten, dass die beigegebenen Urkunden, aus denen sich die Informationen zum beförderten Gut ergeben, nicht mit dem tatsächlich beförderten Gut übereinstimmen. Das Fahrzeug ist nun bereits seit 11 Monaten beschlagnahmt, da ein Strafverfahren in Italien immer noch anhängig ist. Da die Haftung für die Richtigkeit der Urkunden, wie bereits erwähnt den Auftraggeber trifft, der selbst ein Spediteur ist, wurden bereits sämtliche, aus der Beschlagnahme resultierenden Kosten, gegen den Auftraggeber eingeklagt.

Lieferschein als Teil der Lösung

Gemäß Art. 6 CMR hat der Frachtbrief unter anderem zu enthalten die Anzahl, Zeichen und Nummern der Frachtstücke, sowie das Rohgewicht oder die anders angegebene Menge des Gutes. Darüber hinaus hat der Frachtbrief auch Weisungen für die Zoll- und sonstige amtliche Behandlung zu beinhalten.

Da die in der Praxis gängigen Muster für einen Frachtbrief, nur ein sehr kleines Feld für diese Eintragungen vorsehen, kann hier der Lieferschein Abhilfe schaffen. Hinsichtlich der Warenbezeichnung kann im hierfür vorgesehenen Feld des Frachtbriefes, auf den Lieferschein verwiesen werden (Beispiel: „siehe Lieferschein-Nr. XXX“), womit der Lieferschein zum Bestandteil des Frachtbriefes wird. Dies hat den Effekt, dass nun alle im Lieferschein enthaltenen Angaben, im Frachtbrief eingetragen gelten. Hierdurch vermeidet man als Auftraggeber die Problematik, dass der Frachtbrief zu wenige Informationen zum Gut enthält.

Darüber hinaus empfiehlt es sich als Auftraggeber eines Subfrachtführers, stets die Unterlagen, die man von seinem eigenen Kunden erhält, gründlichst zu überprüfen und diesen bei auffallenden Abweichungen und Unvollständigkeiten umgehend zu kontaktieren.

Kommt es schlussendlich dennoch zu Ansprüchen des Subfrachtführers aufgrund unvollständiger bzw. unrichtiger Urkunden und Informationen, so empfiehlt es sich stets den eigenen Auftraggeber haftbar zu halten und einen hierfür spezialisierten Rechtsanwalt einzuschalten, um den Anspruchsregress gegen den eigenen Auftraggeber zu sichern.

Fazit, Praxistipps:

  • ** Absender im Sinne der CMR ist immer der Auftraggeber des Frachtführers
  • ** aus diesem Grund können auch Transportunternehmen, die einen Transportauftrag an einen Subfrachtführer weitergeben, diesem gegenüber als Absender auftreten
  • ** der Absender haftet für die Richtigkeit der Angaben im Frachtbrief und die Vollständigkeit und Richtigkeit der beigegebenen Urkunden und erteilten Informationen
  • ** diese Haftung ist der Höhe nach unbegrenzt und darüber hinaus verschuldensunabhängig
  • ** Informationen die man vom eigenen Kunden erhält sollten nicht unkontrolliert an den Subfrachtführer weitergegeben, sondern genauestens auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden
  • ** im schlimmsten Fall können unrichtig bzw. unvollständig weitergegebene Informationen und Urkunden zu enormen Schadenersatzansprüchen und Fahrzeugbeschlagnahmen führen
  • ** durch die Erklärung eines Lieferscheins zum Inhalt des Frachtbriefes ist meistens dafür gesorgt, dass der Frachtbrief sämtliche relevanten Informationen zur Ware enthält
  • ** im Falle von Ansprüchen des Subfrachtführers aus der oben beschriebenen Problematik, sollte unverzüglich der eigene Auftraggeber, von dem man ursprünglich die Informationen und Urkunden erhalten hat, haftbar gehalten werden. Ausgewiesene Experten aus dem Bereich Transportrecht, können Ihnen dann bei der Durchsetzung des Regressanspruches zur Seite stehen.
  • ** Disponenten müssen auf diese Problematik geschult werden. Die Praxis zeigt, dass die Disponenten dieses Risiko meist gar nicht kennen!

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