Transporteur 03/21, Dr. Schärmer – Zu viel Deutsche Maut bezahlt?

Deutsche LKW-Maut gilt als überhöht

Der EuGH hat in der Rechtssache C-321/19 mit Urteil vom 28. Oktober 2020 ausgesprochen, dass die Lkw-Maut in Deutschland deshalb nicht europarechtskonform ist, da sie gegen die Wegekostenrichtlinie verstößt. Die Einbeziehung der Kosten der Verkehrspolizei in die Kalkulation der Mautsätze widerspricht EU-Recht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Kosten der Verkehrspolizei in die Berechnung der Mautgebühren in Deutschland mit eingeflossen sind. Derzeit ist noch im anhängigen Verfahren vor dem OVG Münster die tatsächliche Höhe der Mautüberhöhung festzustellen. Man geht derzeit von einer Schätzung von ca. 4-6 % der unzulässigen Überhöhung aus.

Wer darf Maut zurückfordern?

Auf Grundlage des oben genannten Urteils, haben Unternehmen welche auf deutschen Autobahnen Maut bezahlt haben, rückwirkend für die letzten 3 Jahre einen Erstattungsanspruch gegen das deutsche Bundesamt für Güterverkehr (BAG) in Höhe der überbezahlten Mautgebühren. Die Erstattungsansprüche können beim BAG angemeldet werden.

Gegenüber dem (BAG) sind jedoch nur die tatsächlichen Mautschuldner unmittelbar anspruchsberechtigt. Das bedeutet, dass nur jene Unternehmen eine überbezahlte Maut zurückfordern können, die selbst Transporte auf deutschen Autobahnen mit eigenen LKWs durchgeführt und somit direkte Maut bezahlt haben. Somit besteht kein Rückforderungsanspruch etwa für Spediteure ohne eigenen Fuhrpark oder Frachtunternehmen, die sich zur Durchführung des Transports eines Subunternehmers bedient haben.

Rückerstattungsaufforderungen durch Auftraggeber

Mittlerweile treten viele Auftraggeber der „verladenden Wirtschaft“ mit Rückforderungsansprüchen an Spediteure und Frachtführer heran und fordern diese auf, eine Verjährungsverzichtserklärung abzugeben und zu erklären, dass die (grob geschätzten) Mautüberhöhungen von 4-6 % an die Auftraggeber „ausgekehrt werden“.

In diesem Zusammenhang ist vorerst zu prüfen, ob der Transport vom Frachtführer/Spediteur tatsächlich selbst durchgeführt und von dieser direkten Maut bezahlt wurde. Wurden die deutschen Autobahnen vom Unternehmer nicht selbst benützt, sondern Unterfrachtführer eingesetzt, welche die Maut schlussendlich abgeführt haben, ist der Unternehmer selbst gar nicht zu einem Rückforderungsanspruch gegen das BAG berechtigt. Somit kann dieser auch gar keine Rückerstattung des BAG für die überhöhte Maut an seinen Auftraggeber bezahlen, da dieser selbst keine Rückerstattung erhält.

Weiters ist zu beachten, ob in den Offerten an den Auftraggeber, die Maut separat ausgewiesen wurde. Da dies bei den meisten Unternehmen zu verneinen ist, werden diese als Fixkostenspediteure gemäß § 413 UGB bzw. als Frachtführer zu einem Fixpreis/Pauschalpreis tätig. Bei solch einer Fixkostenvereinbarung, bei der die Maut nicht separat ausgewiesen wurde, besteht meines Erachtens auch keine Verpflichtung der Bezahlung der überhöhten Maut an den Auftraggeber, selbst dann, wenn der Unternehmer selbst eine solche Rückerstattung vom BAG erhält. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Fixkostenvereinbarung derartige Rückforderungen verhindern sollte, auch wenn sich einige Parameter der Kalkulation nachträglich zugunsten oder zulasten des Spediteurs/Frachtführers ändern.

Etwas komplizierter gestaltet sich die Situation, wenn ein Transportunternehmen tatsächlich Transporte auf deutschen Autobahnen selbst durchgeführt hat und somit eine Mautrückerstattung vom BAG erhält oder ein Spediteur vom eingesetzten Subfrachtführer die überhöhte Maut rückerstattet bekommt. Auf den ersten Blick mag es zwar so erscheinen, dass der Auftraggeber einen bereichungsrechtlichen Anspruch gegen den Auftragnehmer haben könnte, da es zu einer Vermögensverschiebung zugunsten des Auftragnehmers gekommen ist. Allerdings ist auch in solch einer Situation zu prüfen, ob die Maut vom Auftragnehmer in seinem Offert an den Auftraggeber gesondert ausgewiesen wurde. Erfolgte keine solche gesonderte Ausweisung der Maut, so scheidet auch hier der Rückerstattungsanspruch des Auftraggebers aus.

Schließlich ist festzuhalten, dass selbst dann, wenn die Maut durch den Auftragnehmer gesondert ausgewiesen wurde und dieser tatsächlich einen Rückforderungsanspruch gegen das BAG hat, derartige Vermögensverschiebungen sich wahrscheinlich im Bagatellbereich bewegen. In diesem Zusammenhang muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass dem Frachtführer/Spediteur keine Verpflichtung auferlegt werden kann, Ansprüche gegen das BAG geltend zu machen bzw. die Unterfrachtführer zu verpflichten, ihre Ansprüche gegenüber der Republik Deutschland auf eigenes Risiko und Kosten geltend zu machen.

Zusammengefasst besteht somit in den meisten Fällen kein Rückerstattungsanspruch des Auftraggebers gegen seinen Auftragnehmer, da dieser entweder selbst gar keinen Rückerstattungsanspruch gegen das BAG hat oder die Maut von diesem nicht separat ausgewiesen wurde.

Verminderung des Anspruchszeitraumes durch Verjährung

Abgesehen von den oben dargelegten rechtlichen Argumenten, die gegen einen Rückforderungsanspruch der jeweiligen Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer bereits dem Grunde nach sprechen, muss auch die Zeitschiene im Zusammenhang mit der Verjährungsproblematik beachtet werden.

Da es sich bei den ausgeführten Transporten meist um internationale Straßengütertransporte handelt sind auf diese die Vorschriften der CMR anwendbar.

Die Verjährungsbestimmungen des Artikels 32 beziehen sich auf alle Ansprüche aus einer der CMR unterliegenden Beförderung (Art. 32 Abs. 1 CMR). Ein Rückforderungsanspruch (allenfalls zu viel gezahlter Maut) muss somit ebenfalls der Verjährungsfrist der CMR unterliegen. Die Verjährungsfrist der CMR beträgt im Regelfall ein Jahr. Die Verjährungsfrist beginnt in allen Fällen (außer im Falle von Verlust, Beschädigung oder Überschreitung der Lieferfrist) 3 Monate nach Abschluss des jeweiligen (einzelnen) Beförderungsvertrages. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn die internationalen Straßengütertransporte Teil einer multimodalen Beförderung sind.

Ausgehend vom Datum der jeweiligen Beförderungsverträge müssten somit alle Ansprüche nach 15 Monaten, gerechnet ab dem Zeitpunkt des jeweiligen Beförderungsvertrages, bereits verjährt sein und in weiterer Zukunft sukzessive verjähren. Auch dadurch reduziert sich der Anspruchszeitraum bereits jetzt enorm und wird sich künftig sukzessive weiter reduzieren.

Zusammenfassung/Empfehlung

Abschließend ist festzuhalten, dass es keine klarstellende höchstgerichtliche Entscheidung zu einem ähnlichen Fall gibt. Es wird daher Neuland betreten. Aus den aufgezeigten rechtlichen Erwägungen heraus ist – aus derzeitiger Rechtsansicht – zusammenfassend aber folgendes festzuhalten:

*** Einen Rückforderungsanspruch der überhöhten Maut gegen das BAG haben nur jene Unternehmen, die tatsächlich selbst Transporte auf deutschen Autobahnen durchgeführt und Maut bezahlt haben.

*** Bei Unternehmen die selbst keine Ansprüche gegenüber dem BAG geltend machen können bzw. keine Rückzahlung erhalten haben, besteht keine Vermögensverschiebung zu ihrer Gunsten und somit auch keine Bereicherung. Aus diesem Grund scheitert ein bereichungsrechtlicher Anspruch des Auftraggebers aus.

*** Bei einer Fixkostenvereinbarung besteht ebenfalls kein Rückforderungsanspruch des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer.

*** Selbst bei einer separat ausgewiesenen Maut ist ein Anspruch des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer mit größter Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, da derzeit noch keine Bereicherung zugunsten des Transportunternehmers eingetreten ist (Dieser hat ja bisher selbst nichts rückerstattet bekommen).

*** Wir empfehlen daher, keine Verjährungsverzichtserklärungen oder andere Haftungserklärungen im Zusammenhang dieser Mautproblematik gegenüber einem Auftraggeber abzugeben.

Transporteur 03/21 – PDF

Transporteur 03/21, A. Miskovez – Arzneimitteltransporte – Schadenverdacht kann bereits Totalschaden bedeuten

Wann liegt ein Temperaturschaden vor?

 Die Beschädigung des Frachtgutes ist eine äußere oder innere Substanzverschlechterung, die eine Wertminderung des Gutes zur Folge hat. Bei temperaturgeführten Transporten handelt es sich meist um innere Substanzverschlechterungen. Diese liegen dann vor, wenn das Gut zwar nach außen hin wie körperlich unversehrt erscheint, aber durch äußere Einflüsse während des Transportes Qualitätsminderungen erlitten hat, die dazu führen, dass nur eine Verwertung mit geringerem Erlös möglich ist. Die häufigsten Temperaturschäden resultieren aus einer Substanzverschlechterung aufgrund der Erwärmung infolge ausgefallener oder unzureichender Kühlanlagen. Zu beachten ist jedoch, dass es nicht unbedingt zu einer tatsächlichen Substanzbeeinträchtigung der Güter kommen muss, sondern auch dann ein Schaden im Sinne der CMR vorliegen kann, wenn es im Zuge des Transportes zu einer Temperaturüber- bzw. -unterschreitung kam und demnach bloß der Verdacht einer Substanzbeeinträchtigung besteht. Die Wertminderung liegt hierbei nämlich darin, dass der Käufer bzw. Empfänger in der Regel die erwärmte oder unterkühlte Ware nicht mehr annehmen muss.

Gesetzliche Verankerung bei Medikamenten

 In Hinblick auf Arzneimittel, unter welchen Begriff auch Impfstoffe fallen, gibt es in Österreich das Arzneimittelgesetz sowie die Arzneimittelbetriebsordnung, welche unter anderem Vorschriften für den Transport enthalten.

Gemäß § 30 Abs. 8 Z 4 Arzneimittelbetriebsordnung sind Arzneimittel und Verpackungsmaterial so zu transportieren, dass sie unter anderem weder in unvertretbarem Maße Hitze, Kälte, Licht, Feuchtigkeit oder einem anderen schädlichen Einfluss ausgesetzt sind.

Aus dieser Vorschrift ist abzuleiten, dass Arzneimittel stets bei der vorgeschriebenen Temperatur zu transportieren sind.

Darüber hinaus normiert § 33 Abs. 5 Arzneimittelbetriebsordnung, dass eine Wiederverwertung von Arzneimitteln, die unsachgemäß gelagert oder transportiert wurden bzw. deren Qualität sonst negativ beeinflusst wurde, verboten ist und diese Arzneimittel nachweislich zu vernichten sind.

Schadensfeststellung und Vernichtung

Da Temperaturschäden bei Arzneimitteln/Impfstoffen äußerlich nicht erkennbar sind, kann auch ohne festgestellte Substanzverschlechterung allein aufgrund eines Schadenverdachts ein Schaden vorliegen. Bereits bei nachgewiesener Temperaturüberschreitung oder -unterschreitung ist daher in der Regel ein Schaden gegeben, weil bei unzureichender Kühlung die betroffene Ware gemäß den oben genannten Vorschriften nicht mehr in den Verkehr gebracht werden darf und nachweislich vernichtet werden muss. Unbedingt zu beachten ist hierbei jedoch, dass der Schadensverdacht bzw. die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Temperatur festgestellt werden muss, bevor die Ware vernichtet werden darf.

Fazit Praxistipps

 Zusammenfassend kann bereits die Abweichung von der vorgeschriebenen Temperatur bei Transporten von Arzneimitteln und damit der bloße Verdacht einer Substanzbeeinträchtigung zum Vorliegen eines Schadens führen. Da die Abweichung von der vorgeschriebenen Temperatur jedoch festgestellt werden muss, ehe die Vernichtung erfolgt, sollte ein Schadensverdacht umgehend an die Haftpflichtversicherung gemeldet und ein Sachverständiger zur Schadensfeststellung beigezogen werden. Dies verbessert die Beweislage für einen späteren Gerichtsprozess enorm. Das Vorliegen eines Schadens ist jedoch für jeden Einzelfall gesondert zu prüfen und empfiehlt sich jedenfalls die Beauftragung eines mit den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vertrauten Experten

Transporteur 03/21, A. Miskovez – Arzneimitteltransporte – Schadenverdacht kann bereits Totalschaden bedeuten