Transporteur 05/22 – Dr. Schärmer – Totalschaden: MHD um 2 Tage verkürzt

Ausgangslage

Der Transportunternehmer wurde von seinem Auftraggeber mit einem Transport von Lebensmitteln von Deutschland nach Österreich beauftragt. Vereinbart wurde eine Ablieferung am 3. September. Die übergebenen Lebensmittel sollten zum Zeitpunkt der vereinbarten Ablieferung ein MHD von 21 Tagen aufweisen.

Die Warenannahme an der Endladestelle ist von 7:00 Uhr bis 11:00 Uhr geöffnet und hätte die Ware am 3. September in diesem Zeitfenster angeliefert werden sollen.

Da bereits seit vielen Jahren eine Geschäftsbeziehung besteht, wusste der Frachtführer auch, dass die Ware nur in diesem Zeitfenster abgeliefert werden kann.

Erst am 5. September versuchte der Frachtführer erstmals die Ware im Lager des Empfängers abzuliefern und verständigte seinen Auftraggeber. Die Annahme der Ware wurde verweigert, da das MHD nicht mehr wie erforderlich 21 Tage sondern nur noch 19 weitere Tage betrug. Hierdurch wurde die Ware für den Auftraggeber unbrauchbar, sodass diese vernichtet und der Warenwert eingeklagt wurde.

Beschädigung vs. Verspätungsschaden

Bei Schadensersatzansprüchen macht es einen großen Unterschied, ob ein Schaden aufgrund von einer verspäteten Ablieferung oder der Beschädigung/Substanzverschlechterung der beförderten Ware selbst entstanden ist.

Gemäß Art. 17 CMR haftet der Frachtführer sowohl für die Beschädigung des Gutes, sofern diese zwischen der Übernahme und der Ablieferung (Obhutszeitraum) entstanden ist, als auch für die Überschreitung der Lieferfrist.

Der wesentliche Unterschied liegt hierbei in den Haftungshöchstgrenzen. Art. 23 CMR bestimmt, dass der Frachtführer bei Beschädigungen mit 8,33 Sonderziehungsrechten pro Kilogramm des beschädigten Gutes haftet (ca. EUR 10 pro Kilogramm). Für Schäden aufgrund einer Lieferfristüberschreitung haftet der Frachtführer bis zur Höhe der Fracht. Mit dem Wort „Fracht“ ist hierbei das vereinbarte Frachtentgelt gemeint.

Je nach Art des Schadens ist die Haftung des Frachtführers daher entweder Kilogramm-mäßig oder mit der Höhe der Fracht beschränkt.

Nur dann, wenn der Frachtführer den Schaden grob fahrlässig verursacht hat, finden die Haftungshöchstgrenzen des Art. 23 CMR keine Anwendung und haftet der Frachtführer sowohl bei Beschädigungen als auch bei Lieferfristüberschreitungen unbegrenzt für den tatsächlich entstandenen Schaden.

Relevanz im gegenständlichen Fall

Aufgrund der obigen Ausführungen wird schnell klar, dass im gegenständlichen Fall vordergründig zu untersuchen war, ob nun ein Schaden aus einer verspäteten Ablieferung entstanden ist oder ob die Ware selbst beschädigt wurde. Dies ist im gegenständlichen Fall nicht ganz klar da eine Mischung der beiden vorliegt.

Einerseits entstand der Schaden, aufgrund der Lieferfristüberschreitung, da die Ware erst durch die verspätete Ablieferung für den Auftraggeber unbrauchbar wurde (Mindesthaltedauer verkürzt). Andererseits kam es auch zu einer Beschädigung der Ware selbst, da diese aufgrund der nun verkürzten Mindesthaltedauer in ihrer Substanz verschlechtert bzw. beeinträchtigt ist und für den Auftraggeber keinen Wert mehr hat.

Im gegenständlichen Fall musste sich das Gericht jedoch nicht weiter mit dieser Frage auseinandersetzen, da feststand, dass der Frachtführer den Schaden grob fahrlässig herbeigeführt hat und die Haftungsbeschränkungen des Art. 23 CMR ohnehin nicht zur Anwendung gelangen. In diesem Fall macht es daher keinen Unterschied, ob ein Schaden aufgrund einer Substanzverschlechterung des Gutes oder der verspäteten Ablieferung geltend gemacht wird, da der Frachtführer in beiden Fällen unbeschränkt haftet und beide Varianten daher zum selben Ergebnis führen.

Frachtführer haftet

Im gegenständlichen Fall entschied das Gericht, dass der Frachtführer in voller Höhe für den entstandenen Schaden haftet. Dies ist darauf zurückzuführen, dass dieser vereinbarungswidrig nicht zum vereinbarten Zeitpunkt ablieferte. Der Frachtführer muss sich anlasten lassen, dass dieser mit dem Auftraggeber nicht bereits am 3. September Kontakt aufgenommen hat, als bekannt wurde, dass die Ablieferung nicht binnen der vereinbarten Frist erfolgen kann, sondern dies erst 2 Tage später machte.

In weiterer Folge stellte sich auch die Frage, ob der Auftraggeber nicht seine Schadensminderungspflicht verletzt habe, da dieser die Ware womöglich anderwärtig verwerten bzw. verkaufen hätte können. Das Gericht stellte jedoch fest, dass der Auftraggeber am 5. September keine Möglichkeit mehr hatte, die waren noch anderwärtig abzusetzen. Auch eine Rückholung und Umverpackung der Ware war keine realistische Möglichkeit und ist nicht feststellbar, ob sich überhaupt Abnehmer für eine Ware mit weit geringerer Haltbarkeit finden würden.

Dieser Fall zeigt erneut auf, welche enorme Relevanz fixen Lieferterminen bei Lebensmitteltransporten zukommt und dass ein Totalschaden bereits dann entstehen kann, wenn die Lieferfrist um lediglich 2 Tage überschritten wird. Meines Erachtens ist das Thema der groben Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit Lieferfristüberschreitungen jedoch stets im Einzelfall zu beurteilen und kann das Ergebnis des gegenständlichen Falles nicht pauschal auf vergleichbare Sachverhalte angewandt werden. Insbesondere ist im gegenständlichen Fall darauf hinzuweisen, dass die fixe Lieferfrist nicht ausdrücklich vereinbart wurde, sondern das Gericht zum Schluss gelangte, dass sich diese aus der ständigen Geschäftsbeziehung ergebe. Darüber hinaus führt eine Überschreitung der Lieferfrist um lediglich 2 Tage in den wenigsten Fällen zu einer tatsächlichen Wertlosigkeit der Güter.

Fazit, auf einen Blick:

** Bei Schadensersatzansprüchen ist die Unterscheidung zwischen Beschädigungen der Ware und Schäden aufgrund von Lieferfristüberschreitungen von hoher Bedeutung

** die Haftung des Frachtführers für Beschädigungen (Substanzverschlechterungen) der Ware selbst ist mit 8,33 Sonderziehungsrechten pro Kilogramm beschränkt

** die Haftung des Frachtführers für Schäden aufgrund von Lieferfristüberschreitungen ist mit der Fracht begrenzt

** mit dem Wort „Fracht“ ist die vereinbarte Frachtpauschale gemeint

** nur dann, wenn der Frachtführer den Schaden grob fahrlässig herbeigeführt, gelangen die Haftungshöchstgrenzen nicht zur Anwendung

** in solch einem Fall haftet der Frachtführer unbegrenzt

Lesen Sie hier weiter…

Transporteur 05/2022 – PDF

Transporteur 05/22 – A. Miskovez – Mobilitätspaket: österreichischer Gesetzgeber verspätet

Ausgangslage

Die Grundlage für die erste Entscheidung dieser Art war ein Transport den unser slowakischer Mandant von der Slowakei nach Oberösterreich durchführte. Das österreichische Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz regelt die grenzüberschreitende Entsendung von Arbeitnehmern. Wenn ein ausländischer Arbeitnehmer (bei einer ausländischen Firma angemeldet) in Österreich Arbeitsleistungen erbringt, so gilt dieser als entsandt. Dies bedeutet in weiterer Folge für Transportunternehmen, dass auf dem österreichischen Teil der Strecke, der österreichische Mindestlohn nicht unterschritten werden darf.

Im gegenständlichen Fall wurden gegen unseren Mandanten gleich mehrere Strafen ausgesprochen, da die verpflichtende Entsendemeldung (ZKO3T) nicht erstattet und ein Arbeitsvertrag in deutscher oder englischer Sprache sowie Lohnunterlagen nicht mitgeführt wurden. Darüber hinaus ergingen weitere Strafen, da diese Unterlagen auch nicht binnen der aufgetragenen Frist von 2 Tagen nachgereicht wurden. Insgesamt beliefen sich die Strafen auf EUR 4.000,-.

Massive Änderungen durch das EU-Mobilitätspaket

Die neue EU-Entsenderichtlinie 2020/1057 sieht vor, dass keine Entsendung vorliegt, wenn es sich um eine bilaterale Beförderung handelt. Eine solche bilaterale Beförderung liegt dann vor, wenn Güter von dem eigenen Niederlassungsstaat in ein anderes Land oder von einem anderen Land in den Niederlassungsstaat transportiert werden. In anderen Worten: geht der Transport aus meinem Land hinaus oder in mein Land zurück, dann bin ich befreit. Das bedeutet wiederum, dass keine Entsendemeldung gemacht werden muss und der Fahrer nicht dazu verpflichtet ist, entsprechende Unterlagen mitzuführen.

Diese EU-Entsenderichtlinie wurde 2020 erlassen und sah für die Mitgliedstaaten eine Frist bis zum 2. Februar 2022 vor, um die neuen Regelungen (etwa bilaterale Beförderung) in das nationale Recht umzusetzen. Da die Entsendung von Österreich im LSD-BG geregelt wird, hätte Österreich die neuen Vorgaben der EU bis zum 2. Februar 2022 im LSD-BG umsetzen müssen. Dies ist nicht passiert.

Der neue Entwurf liegt zwar schon vor, befindet sich jedoch im parlamentarischen Verfahren und ist daher nach wie vor nicht wirksam umgesetzt.

Die Entscheidung, Fazit

Aufgrund des Günstigkeitsprinzips muss ein Gericht Gesetzesneuerungen, die sich bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergeben berücksichtigen, wenn diese für den Beschuldigten günstiger sind.

Zum Zeitpunkt der Unterwegs-Kontrolle war die neue Ausnahme der bilateralen Beförderung noch nicht in Kraft. Da die gerichtliche Verhandlung jedoch nach dem 2. Februar 2022 stattfand und Österreich mit der Umsetzung ins LSD-BG säumig ist, wurden die Bestimmungen der EU-Entsenderichtlinie vom erkennenden Gericht unmittelbar angewandt und alle Straferkenntnisse gegen unseren Mandanten behoben.

Obwohl die Entsendebestimmungen noch nicht wirksam im LSD-BG umgesetzt wurden und dieses daher nach wie vor keine bilaterale Beförderung kennt, kann man sich dennoch aufgrund der nun unmittelbaren Anwendbarkeit der EU-Richtlinie auf diese Ausnahme berufen.

Transporteur 05/22 – A. Miskovez – Mobilitätspaket: österreichischer Gesetzgeber verspätet