Schadensteilung? – Alleinstellungsmerkmal

Inhalt

    Leichtes Gefälle. Hecktüren geöffnet, Ladung fällt aus dem Lkw: Haftet der Frachtführer allein für den vollen Schadenbetrag?

    Die CMR sieht grundsätzlich eine betragliche Höchsthaftung des Frachtführers vor. Hierdurch soll der Frachtführer bei Vorliegen eines gewöhnlichen Verschuldens insbesondere vor exorbitanten Schadensersatzforderungen geschützt werden. Handelt der Frachtführer jedoch grob fahrlässig oder vorsätzlich, fallen diese Haftungsbeschränkungen weg und haftet der Frachtführer betraglich unbegrenzt. Anders als dies etwa in Deutschland der Fall ist, spielt ein leichtes Mitverschulden des Auftraggebers oder Verladers in Österreich keine Rolle. Selbst wenn den Auftraggeber somit eine Mitschuld trifft, haftet der Frachtführer allein für den vollen Schadenbetrag, wenn dieser grob schuldhaft handelte.

    Ausgangslage

    Im gegenständlichen Fall beauftragte unsere Mandantschaft den Frachtführer mit der Durchführung eines Transports. Zwischen den Parteien wurde vereinbart, dass der Frachtführer die Verladung und Ladungssicherung selbstständig durchzuführen und im Anschluss zu kontrollieren hat. Tatsächlich hat der Fahrer des Frachtführers die Ware auch selbstständig beladen und gesichert. Das Ladegut war teilweise auf Rollen gelagert. Vom Fahrer wurde zwar nach der 3.Reihe ein Klemmbalken angebracht und Spanngurte oben über die einzelnen Reihen des Ladegutes gespannt. Eine Sicherung der einzelnen Reihen der Fracht mit horizontal von Seitenwand zu Seitenwand geführten Spanngurten – und somit zu den Hecktüren hin – erfolgte jedoch nicht. Bei der Entladung hat der Empfänger dem Fahrer mitgeteilt, dass dieser die Hecktüren öffnen und zur Laderampe reversieren solle. Da die Fahrbahn an dieser Stelle ein leichtes Gefälle aufwies, rollte ein Teil der Ladung über die Ladekante des Lkw und fiel herunter, weshalb es zu einer Teilbeschädigung kam. In weiterer Folge wurde der Frachtführer auf Ersatz des Schadens geklagt.

    Haftungsbeschränkung

    Gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer für sämtliche Schäden die sich in dessen Obhutszeitraum zwischen der Übernahme der Ware und der Ablieferung beim Empfänger ereignen. Um den Frachtführer vor exorbitanten Schadensersatzforderungen zu schützen, die in keinem angemessenen Verhältnis zum Frachtentgelt stehen, sieht die CMR in Art. 23 und Art. 25 Haftungshöchstgrenzen zugunsten des Frachtführers vor. Die Haftung des Frachtführers für Beschädigungen ist mit 8,33 Sonderziehungsrechten pro Kilogramm des beschädigten Gutes beschränkt. Bei den Sonderziehungsrechten handelt es sich um eine Rechnungseinheit des Internationalen Währungsfonds. Umgerechnet entspricht die Haftungsbeschränkung rund zehn Euro pro Kilogramm des beschädigten Gutes.

    Grobes Verschulden?

    Die oben genannten Haftungsbeschränkungen greifen jedoch lediglich bei gewöhnlichen Verschulden des Frachtführers. Muss sich der Frachtführer gemäß Art. 29 CMR jedoch ein grobes Verschulden (grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz) anrechnen lassen, gelten die Haftungsbegrenzungen nicht.

    Darüber hinaus haftet der Frachtführer bei grobem Verschulden nicht nur für die Wertminderung, sondern auch für sämtliche Vermögensschäden. Grobe Fahrlässigkeit liegt immer dann vor, wenn ein Schadenseintritt geradezu vorhersehbar und wahrscheinlich war. Dies ist bei Ladungsdiebstählen regelmäßig der Fall, wenn der Frachtführer das Fahrzeug unbewacht, nicht abgeschlossen sowie unbemannt auf einem nicht bewachten Parkplatz abstellt.

    Bei Verkehrsunfällen, die durch das Fehlverhalten eines Fahrers verursacht werden, führt etwa eine Alkoholisierung oder eine grob schuldhafte Außerachtlassung der Sorgfaltspflichten zu einem qualifizierten Verschulden gemäß Art. 29 CMR. Auch bei der Ladungssicherung liegt grobes Verschulden dann vor, wenn ein Schaden wie im gegenständlichen Fall geradezu wahrscheinlich war. Immerhin musste der Fahrer wissen, dass eine nach hinten hin ungesicherte Ladung bei geöffneten Hecktüren herabfallen kann.

    Schadenstellung nach CMR

    Obwohl der Frachtführer gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR für die Schäden in seinem Obhutszeitraum haftet, liegt in der Praxis nicht selten auch ein Mitverschulden des Auftraggebers vor. Dies kommt insbesondere dann vor, wenn der Absender beispielsweise bei der Ladungssicherung mithilft. Ein weiterer häufiger Fall ist die unzureichende Aufklärung durch den Auftraggeber.

    Gerade bei diebstahlsgefährdeten und leicht verwertbaren Gütern muss der Auftraggeber den Frachtführer grundsätzlich auf die besondere Beschaffenheit der Güter hinweisen, damit der Frachtführer entsprechende Sicherheitsmaßnahmen treffen kann. Weiß der Frachtführer nämlich, dass er sehr teure Elektronikartikel transportiert, wird dieser eher zum Einsatz eines sichereren Fahrzeugs und zur Benutzung teurer, aber überwachter, umzäunter und gesicherter Parkplätze tendieren. Art. 17 Abs. 5 CMR sieht eine Schadensteilung vor, wenn beide Parteien ein Mitverschulden am eingetretenen Schaden trifft.

    Alleinige, volle Haftung

    Im oben beschriebenen Fall hat der oberste Gerichtshof entschieden, dass der Frachtführer grob schuldhaft gemäß Art. 29 CMR handelte. Der Umstand, dass der Fahrer in Kenntnis der mangelhaften Sicherung des Ladeguts zu den Hecktüren hin, diese dennoch öffnete und eine geneigte Fahrbahn rückwärts befuhr, wodurch das Herabfallen des Ladeguts geradezu wahrscheinlich wurde, stellt eine grobe Fahrlässigkeit des Frachtführers dar. Der Frachtführer kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, dass die Anordnung zum Öffnen der Heckklappe und Rückwärtsfahren vom Empfänger kam. Ursächlich für den eingetretenen Schaden wurde schlussendlich die vom Fahrer vorgenommene mangelhafte Ladungssicherung.

    Weiters führte der Oberste Gerichtshof aus, dass dem Auftraggeber bzw. dem ihm zuzurechnenden Empfänger jedenfalls kein grobes Mitverschulden anzulasten und eine Schadensteilung somit ausgeschlossen ist. Aus der Entscheidung folgt somit der Grundsatz, dass eine Schadensteilung aufgrund eines Mitverschuldens dann ausgeschlossen ist, wenn eine Partei grob schuldhaft gemäß Art. 29 CMR handelt. Anders ist die Situation dann, wenn beide Parteien grob fahrlässig gehandelt hätten und diese somit eine gleiche Mitschuld am eingetretenen
    Schaden trifft.

    Anders in Deutschland

    Im Vergleich zu Österreich kann es nach der deutschen Rechtslage auch bei grobem Verschulden des Frachtführers und nur leichtem Verschulden des Auftraggebers zu einer Schadensteilung kommen.
    Dies ist regelmäßig der Fall, wenn sehr teure Waren gestohlen werden. Übersteigt der Warenwert nämlich das Zehnfache der Regelhaftung (mehr als 100 Euro pro Kilogramm), trifft den Auftraggeber ein Mitverschulden, wenn er den Frachtführer vorher nicht auf den besonders hohen Warenwert hingewiesen hat.

    Kommt es somit zu einem Diebstahl auf einem völlig ungesicherten und unbewachten Parkplatz, trifft den Frachtführer zwar in den meisten Fällen ein grobes Verschulden, der Auftraggeber hat jedoch einen Teil des Schadens selbst zu tragen, wenn dieser unterlassen hat über den besonderen Warenwert aufzuklären.


    Erschienen im Transporteur 05/2024

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