Storno und Standgeld

Inhalt

    Neues zu Storno und Standgeld: Standgeldfreiheit in AGB verpflichtet zum Warten. Die Wartezeit muss ausgeschöpft werden, sonst droht Schadenersatzpflicht.

    Ein von unserer Kanzlei vertretener Transportunternehmer wollte in einem konkreten Anlassfall gerichtlich klären lassen, ob der Subfrachtführer, der mehrere Stunden an der Ladestelle gewartet hat, tatsächlich berechtigt ist, den Lkw abzuziehen. Letztendlich hat das Landesgericht Wiener Neustadt, als Berufungsgericht, letztinstanzlich entschieden, dass der von uns vertretene Transportunternehmer im Recht ist. Der Subfrachtführer wurde zum Schadenersatz verurteilt, da er nicht lange genug (24 Stunden) an der Ladestelle auf die Beladung wartete (LG Wiener Neustadt vom 14. Mai 2014, 18 R 30/14m).

    LADETERMIN, WARTEZEIT

    Der Kläger (vertreten durch unsere Kanzlei) beauftragte die beklagte Spedition mit der Durchführung eines innerösterreichischen Transportes. Als Ladetermin war „bis Freitag 18.1.2013, 18:00 Uhr“ vereinbart. In den allgemeinen Transportbedingungen zum Frachtvertrag war für die Nichtgestellung des Fahrzeuges eine Pauschale von 250,- Euro verschuldensunabhängig vereinbart, für das verspätete Eintreffen am Beladeort eine verschuldensunabhängige Konventionalstrafe von 50,- Euro pro Stunde. Weiters war vereinbart, dass der Auftragnehmer bei sonstigen Schadenersatzansprüchen Weisungen der klagenden Partei einzuholen habe und weiters verpflichtet sei, sämtliche Informationen, die zur weiteren Schadensbearbeitung der klagenden Partei bzw. dessen Versicherer benötigt würden, unverzüglich zur Verfügung zu stellen. Weiters war im Transportauftrag unter „Standgeld“ vorgesehen, dass für Be- und Entladen je 24h standgeldfrei sind. Der Lkw der beklagten Partei meldete sich um 16:45 Uhr beider Ladestelle an. Zu diesem Zeitpunkt herrschte an der Ladestelle ein Rückstau von 60-70 Lkw, welche vor dem Lkw der beklagten Partei auf die Beladung warteten. Der zuständige Mitarbeiter der Beladestelle teilte dem Lkw-Lenker der beklagten Partei mit, dass mit einer Beladung des Lkw der beklagten Partei nicht vor 7:00 Uhr bis 8:00 Uhr des nächsten Tages zu rechnen sei. Der Mitarbeiter der beklagten Spedition teilte dies der klagenden Partei mit und wies darauf hin, dass der Fahrer nur bis 19:00 Uhr Einsatzzeit hätte und man daher nur so lange warten könne.

    Im Zuge eines darauf folgenden Telefonates teilte der Mitarbeiter der klagenden Partei mit, dass der Lkw nach Rücksprache mit der Verladestelle noch heute geladen werde. Im Zuge eines weiteren Telefonates sowie eines neuerlichen emails teilte der Mitarbeiter der beklagten Partei dem Kläger mit, dass der Lkw nur bis 19:00 Uhr warten werde; wenn bis dorthin keine Ladung stattfinden werde, muss der Lkw abgezogen werden. Der Mitarbeiter der klagenden Partei teilte daraufhin mit email mit, dass für den Fall, dass die Ladung am heutigen Tage nicht geladen werde, wie im Auftrag angegeben, die Beklagte für die entstandenen Kosten haftbar gemacht werde. Da sich zu diesem Zeitpunkt niemand mehr im Büro der beklagten Partei befand, wurde dieses email bei der beklagten Partei erst am Montagmorgen gelesen. Bis 19:00 Uhr des konkreten Tages sind offenbar nur 5 – 6 Lkw beladen worden und es sind immer noch 60 Lkw in der Warteschlange gestanden. Der Disponent der beklagten Partei wies seinen Lkw-Fahrer an, die Ladestelle zu verlassen und nachhause zu fahren. Grund war, dass der Lkw-Lenker gegen 19:00 Uhr den Heimweg antreten musste, da er andernfalls aufgrund einer Einsatzzeitüberschreitung im Lkw übernachten hätte müssen. Erst am Montag erfuhr die klagende Partei, dass der Lkw der beklagten Partei die Ladestelle ohne Ladung verlassen hatte und entsandte daraufhin einen eigenen Lkw zur Ladestelle, welcher noch am Montag die Ladung aufnahm und die Ladung ordnungsgemäß zum Zielort brachte.

    SCHADENERSATZANSPRUCH

    Insgesamt entstand der klagenden Partei für die Anfahrt zur Ladestelle ein Aufwand von 216,- Euro. Ein für diesen Lkw vorgesehener Transport konnte daher von diesem Lkw nicht durchgeführt werden. Der Frachtführer klagte die beklagte Partei auf Schadenersatz in Höhe von 216,- Euro. Der Anspruch wurde auf die vereinbarte Konventionalstrafe sowie auf Schadenersatz gestützt. Das Bezirksgericht Mödling hat zunächst die Klage abgewiesen. Wir haben dagegen Berufung erhoben und wurde letztinstanzlich vom Landesgericht Wiener Neustadt als Berufungsgericht entschieden, dass dem klagenden Frachtführer der eingeklagte Anspruch in voller Höhe zusteht.

    ANGEMESSENE NACHFRIST

    Die einseitige Vertragsbeendigung durch den Frachtführer ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn eine angemessene Nachfrist gesetzt wird mit der Erklärung, dass nach fruchtlosem Verstreichen der Frist der Vertrag als aufgehoben gelte. Im Frachtbereich wird dies insbesondere dann der Fall sein, wenn der Absender die Güter nicht zur Verfügung stellt (Schütz in Straube, UGB4 § 428 RZ 15; LG Wiener Neustadt 18 R 30/14m). Im konkreten Fall konnte die beklagte Partei von einem Unterbleiben des Beladens im Zeitpunkt ihres Rücktrittes nicht ausgehen, da die Beladung zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt worden wäre, wenn ihr Lkw vor Ort geblieben wäre. Der Umstand, dass der konkret anwesende Lkw-Fahrer bereits an der Grenze seiner täglichen Lenkzeiten angelangt war, und dass der Lkw-Fahrer auch schon lange an der Ladestelle wartete und noch ca. 60 Lkw vor ihm standen, berechtigte ihn nicht zum Rücktritt. Der Ladetermin „bis Freitag 18.1.2013, 8:00 Uhr“ ist auch nicht als fixer Ladetermin im Sinne eines absoluten Fixgeschäftes (§ 939 ABGB) zu verstehen. Nach der Verkehrsauffassung ist damit nur gemeint, dass der Lkw-Lenker sich bis dahin bei der Ladestelle anzumelden habe. Würde man diesen Ladetermin anders interpretieren, wäre die Standgeldklausel, wonach für Be- und Entladen Standzeiten von bis zu 24 Stunden im Entgelt inkludiert seien, gänzlich unverständlich, da es in derartigen Fällen ja zu keinen Standzeiten in dieser Dauer kommen könnte. Aufgrund der in den AGB enthaltenen „24 h Standgeldklausel“ wurde die gesetzliche Rücktrittsregel des § 1168 ABGB wirksam abgeändert, sodass Verzögerungen bei der Be- und Entladestelle bis zu einem Zeitrahmen von 24 h noch nicht als unzumutbar bzw. wesentlich eingestuft werden sollten. Die beklagte Partei hat dieser Standgeldklausel zu keinem Zeitpunkt widersprochen. Vielmehr hat sich herausgestellt, dass diese Standgeldklausel selbst von ihr in ihren Transportaufträgen verwendet wird.

    RISIKO FÜR LANGE WARTZEITEN

    Wenn man die in der Frachtbranche übliche Klausel „24 h standgeldfrei für Be- und Entladung“ verwendet bzw. in Kauf nimmt, sollte man die damit verbundenen Rechtsfolgen kennen. Wenn ein Auftragnehmer bei Vereinbarung des pauschalierten Frachtlohns die in den AGBs enthaltene 24 h Standgeldfreiheit akzeptiert (nicht widerspricht), trägt der Auftragnehmer das Risiko von Standzeiten bis zu je 24 h beim Be- und Entladen. Kommt es daher zu Wartezeiten von bis zu 24 h beim Be- und Entladen, kann daraus kein Rücktrittsrecht abgeleitet werden. Vielmehr wäre die beklagte Partei verpflichtet gewesen, den Auftrag trotz der bestehenden Standzeiten durchzuführen bzw. erforderlichenfalls am nächsten Tag neuerlich zur Beladung des Lkw die Beladestelle anzufahren. Die beklagte Partei war daher aufgrund ihres unberechtigten Abzuges des Lkw von der Beladestelle zum Schadenersatz verpflichtet.

    SCHLUSSBEMERKUNG

    Aufgrund des geringen Streitwertes sieht die Zivilprozessordnung keine Anrufung des Obersten Gerichtshofes vor. In letzter Instanz hat daher das Landesgericht Wiener Neustadt als Berufungsgericht entschieden. Die gegenständliche Entscheidung ist daher nicht im Rechtsinformationssystem öffentlich abrufbar. Über Anfrage stellen wir aber gerne die Entscheidung in anonymisierter Form (exklusiv) Abonnenten des STRAGÜ zur Verfügung.


    Erschienen im Stragü 07/2014

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