Recht im Wandel der Zeit
Von den Anfängen der CMR hin zu Ladungsdiebstählen: STRAGÜ-Autor Rechtsanwalt Dr. Dominik Schärmer wirft einen Blick zurück auf historische Entwicklungsschritte im Transportrecht.
Zehn Jahre nach dem erstmaligen Erscheinungstermin des STRAGÜ (damals „Straßenverkehr“), genau am 19. Mai 1956, wurde das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) abgeschlossen. Die CMR wurde von Österreich am 28. Juni 1960 ratifiziert und ist am 2. Juli 1961 in Kraft getreten. Die CMR ist ein völkerrechtliches Abkommen und stellt im internationalen Straßengüterverkehr die wichtigste Rechtsgrundlage für den Frachtführer dar. Die CMR regelt vordergründig die Haftung des Frachtführers, insbesondere bei Beschädigung und Verlust des Frachtgutes bzw. bei Lieferfristüberschreitungen. Durch das Binnen-Güterbeförderungsgesetz vom 28. Juni 1990 wurde das Frachtrecht in Österreich bedeutend geändert. Mit diesem Gesetz wurde die CMR auch für innerösterreichische Transporte eingeführt. Die Notwendigkeit zu dieser einschneidenden Veränderung des Transportrechtes in Österreich war deshalb gegeben, da die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen innerhalb Österreichs nur durch die alten Bestimmungen des UGB geregelt war und diese nicht mehr den modernen Anforderungen des Transportgeschäftes entsprachen (siehe auch Schütz in Straube, UGB zu § 439a UGB Rz 1f). Gleichzeitig wurde damit auch das Haftungsrecht der Spediteure verändert. Im Falle einer Fixkostenspedition oder Sammelladungsspedition gemäß § 413 UGB haftet der Spediteur wie ein Frachtführer nach CMR, da gemäß Art. 41 die CMR zwingendes Recht darstellt.
GESCHÄFTSBEDINGUNGEN
Im Speditions- und Frachtgeschäft haben die allgemeinen österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) die stärkste Bedeutung. Die AÖSp wurden 1947 vom Fachverband der Spediteure beschlossen und im gleichen Jahr veröffentlicht. Die Bedeutung dieser Bedingungen hat aber in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen. Dies ist vor allem auf die Einführung von zwingenden Sonderfrachtrechten (zum Beispiel CMR) zurückzuführen. Auch die ständige Rechtsprechung hat zur inhaltlichen Veränderung der Spediteurbedingungen geführt. Die niedrigen Haftungsbegrenzungen der AÖSp entsprechen nicht mehr dem internationalen Standard, sodass große Auftraggeber in Logistikverträgen die Geltung der AÖSp ausschließen. Eine Novellierung der AÖSp wäre längst fällig. 2008 hat der Fachverband für das Güterbeförderungsgewerbe die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Transporteure (AGT) herausgegeben. Die AGT haben aber bisher keine tragende Rolle im Transportgeschäft entfalten können. Dies liegt vor allem daran, dass die Frachtführer für ihre Ladeaufträge und Auftragsbestätigungen eigene Geschäftsbedingungen entwickelt haben. Im heutigen Tagesgeschäft ist es üblich, dass Ladeaufträge mit 40 klein gedruckten Zusatzklauseln versehen sind, die meist hart an der Grenze des Zulässigen, stehen.
STRENGE RECHTSPRECHUNG
Sowohl die Kontrollpraxis, als auch die Strafpraxis haben sich im Verkehrsrecht in den letzten Jahrzehnten deutlich verschärft. Die Anforderungen an ein innerbetriebliches Kontrollsystem eines Frachtführers sind nach der derzeitigen Rechtsprechung nahezu unerreichbar geworden. Der Frachtführer steht in vielen Fällen vor dem Problem, dass die Behördenpraxis oft ausschließlich den Feststellungen eines Beamten folgt. In letzter Zeit haben sich Frachtführer zunehmend mit Rechtsschutzversicherungen eingedeckt und konnten sich gegen ungerechtfertigte Bestrafungen bereits zur Wehr setzen.
LOGISTIKVERTRÄGE
Der Frachtführer übernimmt immer mehr logistische Zusatzleistungen im Rahmen von Logistikverträgen. In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass strenge Haftungsregeln in den Verträgen, das Geschäft risikoreich gemacht haben. Vor allem bei Lagergeschäften ist der Ausschluss von Haftungsgrenzen besonders risikoreich. Das Problem ist, dass zwischenzeitig von großen Auftraggebern, die Regeln unverhandelbar vorgegeben werden. In derartigen Fällen kann man ein Geschäft nur mehr mit einem verlässlichen Versicherer „an der Seite“ abschließen. Die Zusammenarbeit zwischen Frachtführer und Versicherer und Versicherungsmakler ist heutzutage im Regelfall gut organisiert.
ZUNEHMENDE KRIMINALITÄT
Die organisierte Kriminalität ist im Frachtgeschäft deutlich angestiegen. Vor Jahrzehnten galten vorwiegend Transporte nach Italien als diebstahlsgefährdet. Heutzutage sind Ladungsdiebstähle nahezu in ganz Europa an der Tagesordnung. Die Problematik wird dadurch verschärft, dass Betrugsfälle oft im Vorfeld nicht erkennbar sind. Betrüger kaufen die Geschäftsanteile von bestehenden Transportunternehmen, bewerben sich um Transportaufträge und unterschlagen in weiterer Folge die Ladung. In den letzten Jahren gab es auch eine große Zahl von derartigen Ladungsunterschlagungen im Zusammenhang mit einem in Österreich registrierten Unternehmen, sodass die gegenständliche Problematik nicht nur auf ausländische Unternehmen konzentriert ist.
Erschienen im Stragü 07/2016