Haftungsgefahr Flüchtling

Inhalt

    Die Flüchtlingsproblematik ist längst in Mitteleuropa angekommen. Die Praxis zeigt, dass LkwFahrer in vielen Fällen leider zu wenig auf diese Problematik hingewiesen werden.

    Jeden Frachtführer trifft die Pflicht alles Zumutbare zu unternehmen, um die Ware vor Beschädigungen und Verlust zu schützen. Den Frachtführer trifft die Haftung für Beschädigungen und Verluste zwischen Übernahme und Ablieferung des Gutes. Zahlreiche Schadensfälle zeigen, dass in vielen Fällen die Hecktüren des Sattelaufliegers oder Containers nicht versperrt sind und damit ein Zugriff auf die Ware bzw. ein Einsteigen in den Laderaum auf einfachste Art und Weise möglich ist. Von Fernfahrern übermittelte Videos aus Calais (die Redaktion hat derartige auf www.strague.at veröffentlicht, Anm.) zeigen, dass im Bereich von ampelgeregelten Kreuzungen Flüchtlinge (zum Teil unversperrte) Hecktüren öffnen und in den Laderaum springen. Die Haftung des Frachtführers ist nur dann ausgeschlossen, wenn Schäden auf unvorhersehbare bzw. unabwendbare Ereignisse zurückzuführen sind. Dass sich Flüchtlinge Zugang zum Laderaum verschaffen und sich dort verstecken, ist in vielen Fällen, zumindest auf bestimmten Transportrouten, aufgrund der derzeitigen Situation nicht mehr als unvorhersehbar einzustufen. Der Laderaum muss daher jedenfalls vor entsprechenden Zugriffen geschützt werden. Die Anbringung eines Schlosses zur Sicherung der Hecktüre (Vorhangschloss, Bügelschloss) wird daher auf gewissen Transportrouten zur Verhinderung dieser Gefahren erforderlich sein.

    UNBEGRENZTE HAFTUNG!

    Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass der Transport bzw. das Abstellen eines Lkw ohne Setzen einer Sicherungsmaßnahme, die den Diebstahl des Transportguts erschwert oder das Risiko der Betretung auf frischer Tat erhöht hätten, sodass der Diebstahl ohne sonstige Beschädigungen nach einfachem Öffnen der Hecktüre erfolgen konnte (es war nicht einmal ein Vorhängeschloss angebracht), ein schweres Verschulden nach Art. 29 CMR darstellt (OGH vom 25. April 2012, 7 Ob 27/12i). Bei dem derartig schweren Verschulden entfällt jede Haftungsbegrenzung nach den Bestimmungen der CMR und der Frachtführer haftet in voller Höhe. Das bedeutet, dass das Fehlen einer entsprechenden Absperrung bzw. Sicherung der Hecktüren auf bestimmten Transportrouten, auf denen die Flüchtlingsproblematik besonders gegeben ist, eine unbeschränkte Haftung des Frachtführers auslöst.

    BESCHLAGNAHME DES FAHRZEUGS

    Die behördliche Anhaltung eines Lkw in dem sich (vom Fahrer unbemerkt) Flüchtlinge verstecken, führt regelmäßig zu einer länger dauernden Sicherstellung des Fahrzeugs, da von den Behörden überprüft werden muss, ob der „Tatbestand der Schlepperei“ vorliegt. Selbst wenn (wie im Regelfall) kein Verdacht der Schlepperei vorliegt, kann der Frachtführer für die damit verbundenen Lieferfristüberschreitungen bzw. die damit verbundene Kontamination des Frachtgutes im Laderaum zur Haftung vom Auftraggeber herangezogen werden. Dies trifft vor allem auf jene Fälle zu, in denen der Laderaum vor Zugriffen nicht entsprechend gesichert wurde (siehe oben).

    VERNICHTUNG DES LADEGUTS

    Vor allem bei Lebensmitteltransporten muss sehr oft die gesamte Ladung aus lebensmittelrechtlichen Gründen zur Gänze vernichtet werden. Sind Flüchtlinge in den Laderaum eingedrungen, kann nämlich nicht mehr ausgeschlossen werden, dass nicht der gesamte Laderaum bzw. die darin empfindliche Ware beeinträchtigt wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung ist bereits der begründete Verdacht einer Substanzbeeinträchtigung des Frachtgutes als Beschädigung im Sinne des Frachtrechts einzustufen.

    SICHERUNGSMASSNAHMEN

    Aufgrund der gegebenen Problematik sollte auf den besonders gefährdeten Transportrouten kein Transport ohne Sicherung der Hecktüren vorgenommen werden. Den Fahrern sollten Bügelschlösser oder Vorhängeschlösser mitgegeben werden, damit diese vor allem im Bereich der gefährdeten Transportstrecken den Laderaum entsprechend vor Zugriffen im nicht einsehbaren Heckbereich sichern können. Die Fahrer müssen weiters instruiert werden, dass sie vor allem in diesen Gegenden besonders achtsam sein und vor jedem Fahrtantritt (auch nach kurzen Pausen) den Laderaum (wenn möglich) entsprechend kontrollieren müssen. Bei Planenfahrzeugen, die nicht mit Hecktüren ausgestattet sind, sind Plomben und/oder Vorhängeschlösser anzubringen. Selbstverständlich können diese Maßnahmen nur dann ergriffen werden, wenn diese auch möglich und zumutbar sind.


      Erschienen im Stragü 09/2015

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