Keine Haftung bei versperrtem Betriebsareal

Inhalt

    In einem brandaktuellen Fall hat der OGH eine für die Transportwirtschaft wichtige Entscheidung gefällt, aus der abzuleiten ist, welche Maßnahmen ein Frachtführer zum Schutz des Gutes vor Diebstahl auf Betriebsarealen zu treffen hat (OGH vom 2.10.2013, 7 Ob 124/13f).

    Den Frachtführer trifft aus dem Beförderungsvertrag die Hauptpflicht alle branchen- bzw. handelsüblichen, nach den Umständen des Falles zumutbaren Maßnahmen zum Schutz des Gutes insbesondere vor Diebstahl zu treffen. Es kann zwar keine generelle Aussage darüber getroffen werden, welche Schutzmaßnahmen ausreichend sind. Dies hängt immer vom Einzelfall und von folgenden Faktoren ab:

    Zunächst ist zu hinterfragen, ob es sich um diebstahlsgefährdete bzw. leicht zu entwendende und verwertbare Ware handelt. Vor allem der Wert der Ware beeinflusst die Art der zu ergreifenden Sicherungsmaßnahmen. Als Faustregel gilt: Je eher mit einem Diebstahl grundsätzlich zu rechnen ist, je unauffälliger die Entfernung der Fracht vom Lkw möglich ist, je weniger Vorbereitungszeit nötig ist, um den Diebstahl um-zusetzen, je leichter die Waren entfernt und verwertet werden können, desto höher ist die Anforderung an den Frachtführer, die Fracht vor Diebstahl zu sichern (ständige Judikatur des OGH: 7 Ob 27/12i: 7 Ob 47/12f).

    Versperrtes Betriebsareal

    In einem konkreten Fall wurde ein mit Stahlrohren beladener Sattelauflieger auf einem Betriebsareal abgestellt. Das Betriebsgelände war mit einem zwei bis vier Meter hohen verzinkten Lattenzaun umfriedet und durch ein Metallsicherheitstor mit einer Kette samt Vorhängeschloss versperrt. Das Betriebsgelände war zusätzlich mit Videokameras ausgestattet, die auf Masten befestigt waren. Bei der Betriebseinfahrt befand sich ein Warnhinweis der örtlichen Polizei mit dem Hinweis „Unternehmensbewachung in diesem Gebiet“. Der mit Stahlrohren beladene Auflieger wurde schließlich vom Betriebsareal „weggezogen“ und gestohlen. Die Kriminellen erzwangen sich den Zugang zum Betriebsareal dadurch, dass sie zuvor mit einem Lkw das Einfahrtstor rammten. Die Gerichte kamen zum Ergebnis, dass die vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz des Guts ausreichend waren und dem Frachtführer kein Verschulden vorzuwerfen ist (siehe OGH vom 2.10.2013, 7 Ob 124/13f).

    Unabwendbar und unvorhersehbar

    Die CMR verneint in derartigen Fällen die Haftung des Frachtführers. Gem. Art. 17 Abs. 2 CMR soll der Frachtführer immer dann von seiner Haftung befreit sein, wenn der Verlust oder die Beschädigung des Frachtgutes durch Umstände verursacht worden ist, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte. Es wird zwar an die Sorgfalt des Frachtführers ein strenger Maßstab angelegt, der Sorgfaltsmaßstab darf aber nicht überschritten werden.

    Wie der konkrete Fall zeigt, werden vom Frachtführer keine unzumutbaren oder absurden Maßnahmen gefordert. Wenn sich Kriminelle gewaltsam (hier: durch Rammen des Einfahrttors) Zutritt zu einem an sich gut gesicherten Betriebsareal verschaffen, liegt ein derartiger Haftungsausschluss vor. Dasselbe gilt, wenn ein bewaffneter Raubüberfall auf den Lkw-Fahrer in einem Gebiet stattfindet, dass an sich nicht als besonders gefährlich eingestuft wird.

    Zusammenfassung – „Ist-Zustand“

    Die in der letzten Zeit ergangenen Entscheidungen des OGH zur Frachtführerhaftung zeigen eine positive Entwicklung aus Sicht der Transportwirtschaft. Die im Frachtrecht festgelegten Haftungsausschlüsse werden von den Gerichten genau geprüft und werden – anders als im Verwaltungsstrafrecht (Stichwort: innerbetriebliches Kontrollsystem) – keine absurden und unzumutbaren Maßnahmen verlangt. Wenn der Frachtführer bestens organisiert ist, kommen ihm die Vorteile der Haftungsausschlüsse bzw. Beschränkungen zu Gute.

    Leider gibt es aber immer noch zu viele Schadensfälle, bei denen einfachste Maßnahmen den Schadensfall verhindert hätten können. So werden meist gut ausgestattete Betriebsareale am Wochenende bzw. in den Nachtstunden nicht abgesperrt und mit wertvoller Ware beladene Sattelauflieger und Wechselaufbauten „isoliert“ abgestellt ohne weitere Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Diebstähle können daher oft durch einfaches Ankoppeln des Aufliegers bzw. Abholen des WAB unbemerkt vorgenommen werden. Derartige Fälle sind meist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen und es würde für diese Fälle eine unbeschränkte und oft ruinöse Haftung auf den Frachtführer zukommen. Bei fehlenden Sicherungsmaßnahmen kann es daher sehr schnell zum Wegfall aller Haftungsbegrenzungen der CMR kommen. Die Grenze zwischen Wegfall der Haftung, beschränkter und unbeschränkter Haftung ist oftmals fließend.


    Erschienen im Stragü 12/2013

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