Explosive Ladung! Elektroschrott zerstört Auflieger – Absender haftet!

Inhalt

    Verfahrensablauf:

    Die Ausgangslage beider Entscheidungen ist ähnlich. Der Absender beauftragte den Hauptfrachtführer mit dem Transport von Elektroschrott. Der Hauptfrachtführer beauftragte wiederum einen Subfrachtführer, der den Transport tatsächlich durchführte. Vereinbart wurde der Transport von Elektroschrott in „loser Schüttung“. Der Subfrachtführer ging aufgrund dieses Auftrages davon aus, dass der Elektroschrott getrennt von brandgefährlichen Komponenten geladen werde. Tatsächlich beinhaltete der Schrott Batterien. Diese entzündeten sich im Zuge des Transportes selbst und verursachten am Auflieger einen Totalschaden. Wir vertraten die Transportversicherer des Subfrachtführers, welche diesem den entstandenen Schaden ersetzt hatten und begehrten vom Hauptfrachtführer vor dem Landesgericht Salzburg Schadenersatz für den beschädigten Auflieger. Das Verfahren ging durch alle Instanzen. Das Erstgericht gab unserer Klage statt. Gegen dieses Urteil erhob die Gegenseite Berufung an das Oberlandesgericht Linz, welcher nicht Folge gegeben wurde. Letztlich folgte auch der Oberste Gerichtshof unsere Auffassung, dass der Hauptfrachtführer als unser direkter Vertragspartner und damit Absender im Sinne der CMR für den am Auflieger eingetretenen Schaden haftet.

    Direkter Vertragspartner ist Absender im Sinne der CMR:

    Die CMR regelt grundsätzlich nur das Verhältnis zwischen Absender, Frachtführer und Empfänger. Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass im Anwendungsbereich der CMR immer der Auftraggeber, auch wenn dieser selbst ein Transportunternehmer und damit nicht der Urabsender ist, als Absender im Sinne der CMR gilt. Sämtliche Ansprüche aus der Beförderung sind daher gegen den Vertragspartner als Absender geltend zu machen, was in der Praxis oft aufgrund von seit langem bestehenden Geschäftsbeziehungen nicht gewünscht ist. In der Mai-Ausgabe haben wir gezeigt, dass unter Umständen eine Durchbrechung dieser Haftungskette durch eine Anspruchsabtretung möglich ist. Im konkreten Fall haben wir jedoch von unserem direkten Vertragspartner, dem Hauptfrachtführer, Schadenersatz begehrt.

    Kein Verpackungsmangel, sondern Gefahrgut im Sinne der CMR:

    Erstaunlich ist, dass sowohl das erstinstanzliche als auch das zweitinstanzliche Gericht vom Vorliegen eines Verpackungsmangels gemäß Art. 10 CMR ausgingen. Art. 10 CMR normiert die Gewährhaftung des Absenders. Dieser haftet ohne Verschulden für jeden Schaden, der aufgrund mangelhafter Verpackung entstanden ist. Der Oberste Gerichtshof teilte die Rechtsansicht der Vorinstanzen bezüglich des Vorliegens eines Verpackungsmangels nicht. Soll ein Transport – wie im gegenständlichen Fall – „in loser Schüttung“ erfolgen, so bedeutet dies gerade, dass das transportierte Gut unverpackt ist. Es wurde daher im gegenständlichen Fall laut der richtigen und auch von uns vertretenen Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes der „unverpackte“ Transport des Gutes vereinbart. Ein Verpackungsmangel im Sinne des Art. 10 CMR lag nicht vor. Der Oberste Gerichtshof bestätigte unseren Anspruch daher nicht auf Basis des Art. 10 CMR, sondern wendete den mehr oder minder „exotischen“ Art. 22 CMR an.

    Strenge und unbegrenzte Absenderhaftung auch ohne Verschulden:

    Art. 22 CMR normiert – ähnlich wie Art. 10 CMR – eine strenge, vom Vorliegen eines Verschuldens unabhängige und der Höhe nach unbegrenzte Haftung des Absenders; die sonst in der CMR üblichen Haftungsbeschränkungen bei leichter Fahrlässigkeit greifen nicht. Der Absender hat den Frachtführer, wenn er ihm gefährliche Güter übergibt, auf die genaue Art der Gefahr aufmerksam zu machen und ihm gegebenenfalls die zu ergreifenden Vorsichtsmaßnahmen anzugeben. Was genau gefährliche Güter sind, ist in der CMR nicht definiert. Als Gefahrgut im Sinne der CMR sind aber alle Güter anzusehen, von welchen bei einem herkömmlichen Straßengütertransport Gefahren für Personen, Sachen oder – wie im Anlassfall – für das Transportfahrzeug selbst ausgehen. Güter im Sinne der ADR bzw. des Gefahrgutbeförderungsgesetzes sind daher jedenfalls als gefährliche Güter im Sinne des Art. 22 CMR zu betrachten. Die Form der Informationserteilung ist egal und kann daher auch telefonisch erfolgen. Aus dem Zweck der Warnfunktion des Art. 22 CMR und dem Wortlaut der Konvention lässt sich weiters schließen, dass die Information an den Frachtführer spätestens zum Zeitpunkt der Übernahme der Güter erfolgen muss.

    Im konkreten Fall hat der Hauptfrachtführer als Absender die oben geschilderten Informationspflichten nicht erfüllt. Im CMR-Frachtbrief und im Transportauftrag war lediglich die Bezeichnung des Gutes als „Elektroschrott lose“ aber keine weitergehende Information oder Gefahrenhinweis angegeben. Dem Subfrachtführer wurde aber zusätzlich zum Transportauftrag der zuvor an ein externes Müllabfuhrunternehmen ergangene Abholauftrag übergeben. Dieser enthielt neben der Bezeichnung als Elektroschrott auch die in der europäischen Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) enthaltene Abfall-Schlüssel-Nummer „20 01 35“. Aus dieser Nummer ergab sich zwar, dass sich im zu transportierenden Elektroschrott Batterien befinden können, eine genaue Information, welche bestimmten gefährlichen Stoffe im betreffenden Ladegut tatsächlich enthalten sind und welche Art von Gefahr damit verbunden ist, ergab sich aus dieser Abfall-Schlüssel-Nummer aber nicht. Durch die bloße Angabe der Abfall-Schlüssel-Nummer erfolgte daher keine den Anforderungen des Art. 22 CMR entsprechende Gefahreninformation.

    Aus dieser Informationspflichtverletzung resultierte die Haftung des Absenders für sämtliche dem Subfrachtführer aus der Beschädigung seines Aufliegers entstandene Schäden und Kosten.

    Auch Beseitigungskosten sind ersatzfähig:

    Im Anlassfall kam es durch die Entzündung des Elektroschrottes zu keinerlei dauerhaften Folgen für die Umwelt. Die Beseitigung der Folgen von ausgetretenem Gefahrgut ist in der Praxis oft kostenintensiv. Im besten Fall reicht die Aufbringung von Ölbindemittel oder die Reinigung der Straße. Im „worst case“ kann es aber notwendig bzw. vorgeschrieben sein, kontaminiertes Erdreich auszubaggern und fachgerecht zu entsorgen. In einem solchen Fall kann die Berufung auf Art. 22 CMR dem betroffenen Frachtführer viel Geld sparen, da auch derartige Beseitigungskosten erfasst und daher für den Fall einer Informationspflichtverletzung vom Absender zu ersetzen sind.

    Vorsicht! Kein Freibrief für den ausführenden Frachtführer:

    Keinesfalls aber darf sich der ausführende Frachtführer ausschließlich auf die Informationspflichten des Absenders verlassen. Der Oberste Gerichtshof hat auch im Anlassfall ausgesprochen, dass ein Transportunternehmer grundsätzlich über die einschlägigen europäischen und österreichischen Gefahrgutvorschriften Bescheid wissen muss. Sollte dem ausführenden Frachtführer beispielsweise die ADR-Nummer des zu transportierenden Gutes – in welcher Form auch immer – vor dem Transport bekanntgegeben werden, hat dieser die vom Gut ausgehenden Gefahren zu kennen bzw. muss sich über diese informieren. In derartigen Fällen kann die Haftung daher nicht auf den Absender überwälzt werden.

    Zusammenfassung/Praxistipps:

    • Der Absender im Sinne der CMR hat seinen Vertragspartner gemäß Art. 22 CMR über die Art des Gutes, von diesem allenfalls ausgehende Gefahren und die zu deren Vermeidung zu ergreifenden Vorsichtsmaßnahmen aufzuklären.
    • Für die Beurteilung der Frage, ob diese Informationspflicht seitens des Absenders erfüllt wurde, sind neben dem Transportauftrag sämtliche an den Vertragspartner im Zuge der Auftragserteilung weitergegebene Dokumente und Informationen maßgebend.
    • Ob die Mitteilung der Informationen schriftlich oder mündlich erfolgt, ist irrelevant, sie muss jedoch spätestens zum Zeitpunkt der Übernahme der Güter erfolgen.
    • Der Absender haftet ohne Verschulden und betraglich unbegrenzt für Schäden, die aufgrund einer Verletzung seiner Informationspflicht entstehen.
    • Aus Sicht des Auftraggebers empfiehlt es sich, die genaue Bezeichnung des Gefahrgutes in den CMR-Frachtbrief aufzunehmen, da es dadurch im Streitfall zu einer Beweislastverschiebung kommt. Dann hat der Frachtführer zu beweisen, dass er die genaue Art der Güter und die mit deren Transport verbunden Gefahren nicht kannte.
    • Im Anlassfall durfte der Subfrachtführer aufgrund der Bezeichnung des Gutes davon ausgehen, dass dieses getrennt von brandgefährlichen Komponenten geladen wird.
    • Zusammengefasst konnte die Transportrechtskanzlei Schärmer in einem kurzen Zeitabschnitt zwei richtungsweisende Entscheidungen für die Transportwirtschaft erwirken:
    • Schäden am Fahrzeug durch mangelhafte Verpackung siehe: Rechtsinformationssystems- RIS, OGH vom 22.01.2020 zu 7 Ob 178/19f
    • Schäden am Fahrzeug durch gefährliche Waren siehe: Rechtsinformationssystems- RIS, OGH vom 08.07.2020 zu 7 Ob 50/20h

    Erschienen im Transporteur 11/2020

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